Herzsack Heloise
Als der Herzsack für Heloises Sammethäutchen zu groß geworden war und Heloise in tausend Stücke zu zersprengen drohte, wurde ihr Ansuchen trotz der allgemein angespannten Lage endlich positiv beschieden: die größten Kapazunder ihrer Zunft brachen aus Heloises Rücken nun eine Öffnung heraus, durch die sich der Herzsack nach Herzenslust hinausdehnen konnte. „Eine medizinische Sensation!“, hieß es, als Heloise nach wenigen Tagen bereits entlassen wurde. Aufs Erste war sie nur froh, ihr Sammethäutchen wieder an ihren Knöchel- und Muskelchen liegen zu haben, bemerkte aber aufs Zweite, dass der Herzsack in ihrem Rücken mit jedem Herzschlag größer wurde, und entsetzte sich aufs Dritte, als er – zur Größe einer Tennishalle gewachsen – an Stock und Stein sich stieß, ging sie beispielsweise nach Großweikersdorf, um frische Semmeln fürs Frühstück zu kaufen. „Weit wernS ned kommen mit dem Mordstrumm am Buckl hängen“, sagte die Nachbarin, der Heloise auf halbem Weg begegnete. Heloise raffte den Herzsack heran und schlug ihn sich wie einen Brautschleier vor die Füße. Schlammspritzer ohne Ende, deshalb war er auch so schwer geworden, dass sie befürchten musste, es nicht mehr nachhause zu schaffen, selbst wenn sie sofort umkehrte. „Wo Sie Recht haben, haben Sie Recht“, erwiderte sie also. Sie würde um einen Herzsackträger samt Ersatzmann ansuchen müssen und Jahre würde es dauern, falls man ihr diese Extratour überhaupt zubilligen würde. Die Nachbarin redete währenddessen ohne Unterlass weiter, sie war eine von denen, die Heloise jetzt noch mehr als zuvor beneidete, weil sie ihr Herz auf der Zunge trugen. Die flinke Zunge reichte aus, um das Herz nach jedem Wort wieder einzufangen, und das Netz für den Notfall, ein leichtes Netz, wie es Schmetterlingsforscher verwenden, wie handlich war es und wie selten trat der Notfall ein, dass das Herz zu weit für die Zunge sprang.
(Thema: Portraits)
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ahg - 11. Mär, 09:03