Mittwoch, 8. März 2006

Naturalie, die Dritte

Hans guckt auf ein Ziel am Horizont, er guckt und guckt und guckt und damit er dabei nicht ins Wasser fallen kann, tut er keinen einzigen Schritt, aber der Horizont ist leer, da ist einfach nichts zu sehen. Hans leidet, Hans strengt sich an, Hans schnalzt es die Augen aus den Höhlen. Sie schießen los wie Kanonenkugeln und schlagen durch den Horizont: einmal um die Erde und wieder zurück (kein Berg reicht so hoch, wie Hansens Augen fliegen). „Bitte lächeln!“, sagt der Fotograf, bevor er unter seinem schwarzen Tuch verschwindet. „Kopf hoch, alter Hans!“, sagt das Fischweib, ohne seine Arbeit zu unterbrechen (es nimmt einen Fisch aus). „Hat jemand Lust, sich zu erschießen?“, ruft der Marktschreier.

(Thema: Wir erfinden neue Gattungen)

Dienstag, 7. März 2006

Heute nur

Zimmer-Frei-Frau (Liebe M.! Liebe B.!, Liebe E.!, Lieber A.!, Lieber W.!) und ein wenig (mit der Haut an den Worten) durch fremde Zimmer gestrichen (Lieber M.!).

(Thema: Tagebuch)

Montag, 6. März 2006

Erfinder und Stehschlampen

Ein Satz wie: „Sag’s doch, dass ich eine Stehschlampe bin!“, kann in Wirklichkeit nicht gesagt worden sein (auch nicht gerufen oder geflüstert), weil es das Wort Stehschlampe nicht gibt. Ein Reiseachterl, stehend am Tresen zu trinken („Jetzt gehen wir aber gleich nachhause!“) oder eine Schreibtischlampe, in der Dämmerung anzuknipsen („Es werde Licht!“), und ganz klar: die Stehlampe („Sie liest mich!“) – alles: Ja, aber von dem Wort Stehschlampe haben Sie eben noch nie etwas gehört, geschweige denn etwas gelesen, so ein Satz kann also samt der, die will (oder auch nicht), dass jemand sagt, dass sie eine Stehschlampe sei, nur ein erfundener sein und sein Erfinder kann dann so tun, als ob es diesen Satz wirklich gäbe, womit er auch gleich (in einem Aufwaschen) seine eigene Existenz zweifelsfrei beweisen kann, was ziemlich praktisch ist („Zwei Fliegen auf einen Schlag!“). Er wird also so tun und dies nicht nur aus mutwilligem Erfindergeist, als ob da an eine Straßenlaterne gelehnt eine Frau, leicht derangiert, auf einem Bein gestanden wäre und dem Mann, der mit dem Rücken zu uns vor ihr gestanden ist, zugerufen hätte: „Sag’s doch, dass ich eine Stehschlampe bin!“

(Thema: Wir erfinden neue Gattungen / Indubiosität, die Dritte/ mit Dank an H. Abendschein)


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Melvin

Was wir festhalten wollen: das leichte Federgedeck, in dem Melvin liegt zwischen Löffeln, Gabeln, Messern, Tellern, Servietten und Tischschmuck aus Naturblumen, das Glas Wein, das vom letzten Abend übrig geblieben ist, den Rotweinfleck auf dem Tischtuch, die über den Sessel geworfene Hose und das nach Zigarettenqualm riechende Hemd, die staubigen Fingerkuppen, die Kalkreste in den Mundwinkeln und die leichte Überwindung, durch die Wand zu rollen, die sich hinter Melvin schließen wird. , kaum dass er auf der anderen Seite ist.

(Thema: Portrait)

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Sonntag, 5. März 2006

Wo eine Schneeschaufel, da ein Gehweg

Maerzschnee-2


(Thema: Bilderbuch)

Megerlin kommt aus Schwarzbeuren

Megerlin steht unter soviel Luftdruck, dass er nicht einmal mehr seine Schuhe ausziehen kann. „Bücken ist nicht!“, sagt er und lächelt nachsichtig, als ob ihn jemand etwas unendlich Dummes gefragt hätte. Ist keiner zur fremden Hand (fast ein Meter Entfernung zur Brust, das ist wie fernsehen!), geht er in Schuhen zu Bett (lässt er sich vorsichtig ins Bett fallen), träumt er, der ewige Wanderer zu sein, und wacht auf in einer Pfütze, die er Seelenschmelzwasser nennt, und keine Urinflasche ist’s, was da unter dem Tuchent verrutscht ist, darauf legt er großen Wert. Er kommt am Morgen nur mit Hilfe einer der benachbarten Schwarzbeurinnen in die Höhe, springt dann aber wie ein Luftballon durch Schwarzbeuren und Umgebung, nicht erst ein Mal musste er am Abend richtiggehend eingefangen werden. Er will sich Blei in die Schuhe gießen lassen wegen dem Glück, das es ist, nicht gegen spitze Gegenstände getrieben zu werden und sich ein Luftloch nach dem anderen einzuhandeln (soviel Kaugummi kann er bald nicht mehr kauen, wie er braucht, um sich abzudichten!), aber die Schwarzbeurinnen, so entgegenkommend sie sonst sind, behaupten, dass das nur zu Silvester gehe, und das sei – es tue ihnen unendlich Leid – erst einmal vorbei.

(Thema: Portrait)

Samstag, 4. März 2006

Temporalie, die Erste

Jetzt heißt es aber sinnieren über die Halbwertszeit des geteilten Apfels, denn noch glänzen beide Hälften und das Küchenmesser (japanisch) ist noch nicht zugedeckt vom Schnee, ist noch nicht überwuchert vom klebrigen Labkraut, das im Frühling aus allen Ecken und Enden hervorschießen wird, jetzt heißt es jetzt mit den Spitzen der Zeigefinger über die Schnitt- und Schneideflächen fahren (hinterher die Finger abschlecken, nicht nur das Blut), jetzt heißt es jetzt sinnieren über die Halbwertszeit des geteilten Apfels, denn halbwegs zu spät wird es sein, wenn die eine Hälfte von Maden gefressen, verfault, zerfallen und unterm Labkraut auf Nimmer-Wiedersehen verschwunden ist und die andere sogar im nächsten Herbst immer noch daliegt, als ob nichts gewesen, als ob sie ein Küchenmesser wäre (japanisch und jemandem heimlich aus dem Korb gefallen), leichte Rückstandsspuren in Braun, sonst nichts.

(Thema: Wir erfinden neue Gattungen)

Freitag, 3. März 2006

Eine Wirtshausgeschichte

„Herr Wirt, ein Bier!“, rief Kahulke und schon fielen die Gläser von der Schank in die Spülmaschine, die sich auch sofort in Gang setzte, hinter fest verschlossener Klappe lief das Wasser ein und ergoss sich über den voll gefüllten Spülkorb. Der Wirt klopfte mit den Fingern den Takt, „Gleich gibt’s frische Gläser!“, nickte er Kahulke zu, Kahulke, unbeeindruckt, wiederholte aber nur seine Bestellung und schlug dazu immer wieder mit der flachen Hand auf den Tisch. Da drehte, entnervt, der Zapfhahn auf und nach innen, da saugte der Zapfhahn die Schank, die Spülmaschine und den Tisch, an dem Kahulke saß, in seinen Bierbauch hinunter und als Kahulke seine Beschwerde „Herr Wirt, wo bleibt mein Bier!“ in den Schankraum rief, hallte sein Ruf blechern, aber nicht, dass ihn das gestört hätte, er fuhr fort: „Herr Wirt, wo bleibt mein Bier?“ „He, Sie!“, klopfte der Wirt an die Bierfasswand, „VerschwindenS erst einmal aus meinem Bierfass!“, aber Kahulke, der sture Bock, rief nur und es war nicht zu überhören, dass er erbost war: „Was ist denn das für eine Sauwirtschaft, kommt jetzt mein Bier oder was wird das da?!“ Dem Wirt blieb nichts anderes übrig, als Kahulke samt Bierfass, Schank, Spülmaschine und Tisch abtransportieren zu lassen. „Ein schweres Verlustgeschäft!“, klagte er bei der nächsten Sitzung des Vereines Lebenswertes Wien, in dem er seit kurzem Schriftführer war, aber wie leicht hätte es sein können, dass Kahulke Nachahmer gefunden hätte, und außerdem habe er die Folgen gefürchtet, schließlich seien die Bierfässer sein Kapital und so schnell könne man gar nicht schauen, da habe man die Lebensmittelpolizei am Hals und dann könne man sich seine Konzession in die Haare schmieren, weil es ja gegen alle Hygienevorschriften verstoße, wenn solche wie Kahulke in den Bierfässern hockten und um keinen Preis der Welt wieder herauszubringen seien. Dieses Wirtensterben, schloss er, sei nun wirklich kein Wunder, weil sich solche wie Kahulke auf die Lebensmittelpolizei verlassen könnten, während er, der Wirt, sich auf niemanden verlassen könne. Seine Freunde vom Lebenswerten Wien wussten, wovon der Wirt sprach, und Ja, da müsse etwas geändert werden, so gehe das wirklich nicht weiter, wo käme Wien denn hin ohne seine Wirtshäuser. Man erhob die Gläser und trank auf all das, das besser werden musste, aber das Bier, fand der Wirt, war viel zu warm und schmeckte fade, die nächste Sitzung, beschloss er, würde wieder in seinem Wirtshaus stattfinden. Die neue Schank war vor Kurzem geliefert worden, Spülmaschine, Tisch und Bierfässer waren auch kein Problem gewesen, auch wenn er den Vertrag mit der Brauerei um weitere fünf Jahre verlängern hatte müssen, und eine neue Zapfvorrichtung, da war er zuversichtlich, würde er auch bald auftreiben, eine solide nämlich, die nicht so nervös war, dass sie vor einem jeden dahergelaufenen Kahulke kapitulierte.

(Thema: Wien)

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"hier wird man von den dingen zur geisel genommen. hier misstraut uns eine vase und geht / selbst hinab in den Garten"

Donnerstag, 2. März 2006

Naturalie, die Zweite

Die Geräusche, wenn ein Käfer in einer leeren Schuhschachtel krabbelt, wenn ein Taubenkopf gegen eine Fensterscheibe prallt oder schlägt ein Fensterflügel gegen den Rahmen oder wenn verknülltes Papier wieder auseinander ächzt, das Ohr hat einen Gehörgang mit Flügeltüren, die schlagen im Wind hin und her und haben schon manch einen erschlagen.

(Thema: Wir erfinden neue Gattungen)

Mittwoch, 1. März 2006

Gemma Dondaubnschiaßen in Besalpark

Gemma Dondaubnschiaßen in Besalpark, schauma fest in die Luft, wauns kummt, die Daubn, dass uns ned aufn Kopf scheißn duat, bevua mas daschossn haum, aba da wiakliche Möada, ich sogs eich, wias is, da wiakliche Möada huckt untan Jasmin und dea riacht ned amoi, und woatn duata, bis dass eich dastessen hobts üba sein aussagstrecktn Fuaß, daun klaubta eich auf und vagrobt eichane Leichn untam Buntgloscontaina.

(Thema: Wien)

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