Dienstag, 28. Februar 2006

Vorhofgeselligkeiten in Zeiten der Mechanik

Wenn die Sprache ein Zahnrad ist, und wenn dann in einem solchen die Zahnradzacken weit, weit auseinander stehen, dann hat in einem Zackenabstand jede Menge Platz und braucht doch nur ein Wort. Okay, okay, die Jede-Menge-Teilchen scheppern dann aneinander und da kann man dann schon einen mittleren Geräuschschaden davontragen, aber es hat sich herausgestellt, dass dieses Scheppern für Herzklopfen gehalten wird, weswegen Geräuschschäden als Lebenszeichen zurück ins Zahnrad und also eingemalmt werden: Man lebt!

(Thema: Virtuelle Welt)

Wer weiß

Den Weg hätten wir uns sparen können, einrollen hätten wir ihn sollen, mit aller Gewalt platt drücken und in den Schlitz des Sparschweins stecken, notgedrungen, denn keine Bank in ganz Wien hätte einen eingerollten Weg – und wäre das Ziel noch so verlockend gewesen – auf unser Konto gebucht, vergessen sollen hätten wir aber auch den Spargedanken, statt dessen besser warten, höchstens ein Lied auf den gespitzten Lippen („pfiffig“), bis der Weg wieder aufgeht im Bauch des Sparschweins, auseinander geschnalzt wäre er und hätte die porzellanernen Sparschweinwände aufgesprengt, wer weiß, ob es sich auf den Sparschweinscherben nicht ganz anders gegangen wäre als auf den von zahlreichen Tausendfüßlern flach getretenen Steinen.

(Thema: Was einem so einfallen kann)

Montag, 27. Februar 2006

Gergelys Hang zum Personal

„Gergely, ach Gergely!“, ruft sie, auf den Spitzen ihrer Ballettschuhe stehend, und ihre Haare sind wie wild gen den Plafond toupiert, weil Gergely diesen schrecklichen Hang zum Personal hat, weil Gergely zum Beispiel dem Wasserstandsmeister ins Handwerk pfuscht und an der Wasseruhr manipuliert, bis gar nichts mehr geht, wofür es ihr, seiner Zugeeigneten, nun wirklich an allem gebricht (dem Zeh zum Beispiel). „Gergely, ach Gergely“, jammert sie bei der Morgentoilette, „wo ist denn bloß das Wasser schon wieder hin verschwunden?“ Aber Gergelys Oberhälfte liegt ganz entschieden (so und nicht anders) unter dem Waschtisch, die ihm Zugeeignete trippelt weiter um sein nutzlos am Boden liegendes Beinwerkzeug herum, immer in Bewegung, damit sie nicht von den Ballettschuhspitzen fällt. „Leicht ist das nicht“, darauf beharrt sie, „immerhin hast du mir den Zeh gebrochen!“, da schlägt es neun Uhr: Dienstantritt des Wasserstandsmeisters, die Zugeeignete springt mit einem Satz (wie von einer Badezimmertarantel gestochen) in ihre Marmordusche und zieht den Deckel zu. Gergely, immer noch sinn- und zwecklos unter dem Waschtisch herumlungernd, wird sich für den Verlust zu verantworten haben, wenn das Wasser wieder fällt und die Ballettschuhspitzen und die wie wild gen den Plafond toupierten Haare aufweichen bis zum kläglichen Ende.


(Thema: Portraits)

Sonntag, 26. Februar 2006

Das Ich ist eine Wortmaschine

Das Ich ist eine Wortmaschine und gelegentlich hängt ein Schild dran, „Out of Order!“, steht da, Arial 14 auf grellweißem 100g – Papier, laminiert und am oberen Rand sind mit doppeltbreitem Tixo beide Enden einer Schnur festgeklebt, das Schild an die Wortmaschinennase zu hängen.


(Thema: Da hab ich mir gedacht)

Samstag, 25. Februar 2006

Rosaria schließt die Hosenbeine

Rosarias Nähkästchen, ein Fingerhut und ein Stecknadelkissen, dicht stehen die bunten Stecknadelköpfe, sonst ist es leer bis auf den Geruch von lang abgelegenem Holz, „Ich frag’ mich, was soll das“, fragt ein vorüberkommender Schustergeselle, „bedeuten?“, Rosaria schweigt, sie hat ihn gar nicht gehört, sie misst ellenweise das Land aus mit schneeweißen Leichentüchern, die Stiefelsohlen sind frisch verklebt, in den Stiefeln stecken ihre Füße in Schafwollsocken, aber draußen ist es kalt, der Schustergeselle steckt seine zerschlissene Schusterhose in Rosarias Nähkästchen, schultert sein Schusterränzlein und zieht weiter, dort hinter der kleinen Anhöhe, einen Fingerbreit bloß entfernt, wartet ein ganzes Haus mit Rauchfang und Rauch, der aus ihm steigt, er kann ihn schon riechen, Rosaria nimmt seine Hose aus ihrem Nähkästchen, schließt die Hosenbeine mit Stecknadeln und hängt die Hose an einen langen Haselnussstock und fängt den Wind ein, der die Leichentücher übers Land treibt, kaum dass der Schustergeselle hinter der kleinen Anhöhe verschwunden ist.

(Thema: Portraits)

Freitag, 24. Februar 2006

Festnahmen am laufenden Band

Eine Wärmebildkamera, hoch droben, aus einem Hubschrauber heraus gehalten, „Hier spricht die Polizei!“, und unten unstete Flecken, ein Asbestanzug und unter dem Hollerbusch die Märchen. „Erzähl mir ein Märchen!“, sagt die Rosenrot und schon geht die Sonne auf und der Huflattich treibt aus, einem Polizisten ist ein Bein abhanden gekommen, leicht beschädigt zwar, aber Durch-Die-Gegend-Tackern geht noch, Festnahmen am laufenden Band, der Hubschrauber landet, ein Polizist humpelt am Stock, die anderen rennen, sie ziehen ihre Köpfe ein bis zum Bauchnabel, in der Hubschrauberkanzel liegt die Kamera und macht ein Foto nach dem anderen.

(Thema: Bilderbuch)

Donnerstag, 23. Februar 2006

Über Gottsucher und Engerl

Wenn es heißt „Ich zeig dir gleich, wo Gott wohnt!“, dann pressen die Kinder ihre Augenlider ganz fest zusammen, damit die Eltern glauben, dass sie jetzt aber sofort schlafen werden. Wenn die dann wirklich und wahrhaftig glauben, dass die Kinder schlafen (wie Engerl), schleichen sie (die Eltern) sich aus den Häusern und suchen nach Gott, immer schön geduckt, weil man ja nie weiß, was kommt (Himmel oder Hölle, mitnichten ein Faltpapierspiel!). Es heißt, dass sie regelmäßig versumpfen (immer diese Sintfluten!) und ganz versaut nachhause kommen, kurz bevor der Morgen graut. Derweilen die Kinder (Lasset die Kinder zu mir kommen) ihre Augen wieder aufgemacht und das Nintendo wieder eingeschaltet haben. Ohne Ton, weil Engerl nun mal lautlos sind und das wissen sie deshalb so genau, weil sie ja Engerl sind und deshalb am Morgen auch taufrisch aus ihren Zimmern kommen, als ob sie die ganze Nacht unter Himmelschlüsselblumen Glockenblumen geschlafen hätten.

(Thema: Erster Trackbackversuch zu Hanging Lydia - 427 :: Horsmen's Height)

Von wegen Lesen

In der zweiten Reihe, genau hinter „Lanzarote“, diesem aufgeblasenen Nullsummenspiel des Michel Houellebecq, hab’ ich’s dann endlich wieder gefunden: „Der Greis in Charenton. Letzte Aufzeichnungen und Kalkulationen“, Marquis des Sade. Der kommt jetzt auf meinen kleinen Hochaltar, wo schon meine anderen Säulenheiligen stehen: Aichinger, Bernhard, Horvath, Kafka.

(Thema: Tagebuch)

ich wollt doch

ich wollt doch einen fließflusstext // einen fließflusstext wollt schreiben ich der fließt // und fließt und fließ // tabereinwahurzelstock // // // ein wa // ein hu // ein hurzelstock // // // stand mir // im wasser // weg

(Thema: Kunst und Kitsch)

Mittwoch, 22. Februar 2006

Hier wird getestet

Streichungen

Wie das so ist mit einem Naturhaufen, eine Naturalie

Wer einen Naturhaufen auf ein Wartestühlchen zu setzen hat, muss sehen, wo er einen passenden Sack für ihn herkriegt, weil der Naturhaufen sonst über die spiegelglatt gesessene Sitzfläche auf den hellen Holzboden rutscht und sich langsam-langsam durch die Parkettritzen davon macht, im günstigsten Fall phantasievoll hingeworfene Drecksränder hinterlassend, wobei es sich schon zuvor, schon am Weg durch die Augartenstraße, als günstig erweisen wird, den Naturhaufen einzusacken, sonst quetscht er sich einem schon dort halbert durch die Finger, wenn man zum Beispiel (unachtsam) bei der Baustelle Maulaffen feil hält (schon wieder ein Stockwerk hochgezogen!) und dann hat man nichts Ordentliches mehr vorzuweisen, wenn man endlich (nach einigen Stunden auf dem Stühlchen) vor dem Naturhaufenzuständigen steht. Nur leere Hände und die grapscht er sich dann und lügt einem (in Ermangelung des Besseren) das Blaue vom Himmel herunter.

(Thema: Wir erfinden neue Gattungen)

Dienstag, 21. Februar 2006

Höhenstraße

Die letzten Lichtpunkte versickern im Tageslicht, im Rücken stehen wie immer die Buchen, du weißt: so licht, so schlank und gerade gewachsen sind die Stämme und so fest gewachsen ihre Haut, kein Handbreit geht da dazwischen, du bist über die Stunden müde geworden, lehnst dich an eine von ihnen, im Schlaf noch murmelst du dein „Sesam öffne dich“, widerwillig und schwer poltert es nach Wien hinunter und mischt sich dort unter die Geräusche der Lastwägen, die – die Laderampe hinunter gelassen – vor den Supermärkten stehen, um entladen zu werden.

(Thema: Wien)

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