Samstag, 25. Februar 2006

Rosaria schließt die Hosenbeine

Rosarias Nähkästchen, ein Fingerhut und ein Stecknadelkissen, dicht stehen die bunten Stecknadelköpfe, sonst ist es leer bis auf den Geruch von lang abgelegenem Holz, „Ich frag’ mich, was soll das“, fragt ein vorüberkommender Schustergeselle, „bedeuten?“, Rosaria schweigt, sie hat ihn gar nicht gehört, sie misst ellenweise das Land aus mit schneeweißen Leichentüchern, die Stiefelsohlen sind frisch verklebt, in den Stiefeln stecken ihre Füße in Schafwollsocken, aber draußen ist es kalt, der Schustergeselle steckt seine zerschlissene Schusterhose in Rosarias Nähkästchen, schultert sein Schusterränzlein und zieht weiter, dort hinter der kleinen Anhöhe, einen Fingerbreit bloß entfernt, wartet ein ganzes Haus mit Rauchfang und Rauch, der aus ihm steigt, er kann ihn schon riechen, Rosaria nimmt seine Hose aus ihrem Nähkästchen, schließt die Hosenbeine mit Stecknadeln und hängt die Hose an einen langen Haselnussstock und fängt den Wind ein, der die Leichentücher übers Land treibt, kaum dass der Schustergeselle hinter der kleinen Anhöhe verschwunden ist.

(Thema: Portraits)

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