Samstag, 11. Februar 2006

Februar

Die Vögel zwitschern auch schon, als ob’s Frühling wäre, warum also nicht sagen: „Weil Frühling ist, machen wir uns einen ganz wunderbaren Frühlingssalat!“ Warum sich also nicht hinaus in den Garten setzen, schwungvoll mit der Gabel in den Frühlingssalat stechen und die Augen zusammenzwicken, weil sie die Sonne schon gar nicht mehr gewöhnt sind. Und warum nicht zwischen zwei Bissen feststellen, dass der Frühling heuer aber ganz schön frisch ausgefallen ist. Sich vielleicht doch noch eine Jacke holen, immer wieder beteuern: „Wie gut, dass dieser ewig lange Winter endlich vorbei ist!“ und dem Schneefräsenfahrer freundlich zuwinken: „Schau, die Bauern sind auch schon wieder unterwegs!“

(Thema: Tagebuch)

Freitag, 10. Februar 2006

Kleine Wegrandbigotterie, die Vierte

Was nicht geht, das geht nicht, das steht vielmehr herum und schaut dich mit großen Augen an. Mit tellergroßen Augen oder nein, besser ist es, wenn du denkst: mit Augen wie ein Teich in einer Themengartenausstellung. Weil es nicht anders geht, schaust und schaust du also in den Teich hinein, kannst dir aber bei aller Anstrengung keinen Reim drauf machen, du bist doch kein Dichter und schon gar kein Dichter, der Reime macht, und selbst wenn (zur Not: der Kompromiss): dir fehlt ja die erste Zeile! Hättest du sie, du würdest schon schnell einen Reim hinnudeln, nur damit du aus dieser Nummer wieder herauskommst, da wollen wir uns nichts vormachen, aber diese verdammte erste Zeile liegt ja im Wasser. Ganz unten vermutest du sie, direkt auf der Teichfolie: Schwarz auf Schwarz, da kann das schärfste Scharfauge nichts erkennen. Du musst jetzt abhauen, das wird dir schlagartig klarer als jedes Themengartenteichwasser, weil es in deinem Becken zu knarzen beginnt. Bald werden dir die Beine bei den Schultern herausschauen und ehe du dich versiehst, gehörst du zum Inventar („Seltene Pflanzen“ - Mutationen). Du reißt dich also los („Ratsch“), aber nur (der Lösezauber), um das Schild neben dem rosenumrankten Eingang zu lesen. Nicht dass du dann irgendetwas von Bedeutung erfahren würdest, aber nach ein paar Dehnungsübungen auf dem Kiesweg, der von Themengarten zu Themengarten und schließlich zum Ausgang führt, kannst du dich mit allen anderen durch die Ausstellungsdrehtüre hinausspülen lassen, als ob nichts gewesen wäre.

(Thema: Wir erfinden neuen Gattungen)

Donnerstag, 9. Februar 2006

Freudiges Ereignis

Endlich habe ich wo hingefunden, wo ich

a) gern dabei bin und wo man mich
b) auch aufgenommen hat,

nämlich dort:

http://www.litblogs.net/


(Thema: Tagebuch)

Und draußen hupt Mercedes …

… oder aber schwingt sie einen Zauberstab und *pling*, hat sie auch schon ein Coupe herbei gezaubert mit glänzenden Felgen und an der Flanke lehnt eine Jakobsleiter, grasgrün wie der Frühling. Mercedes ist schwarzhaarig mit Silbergefunkel, ihr Goscherl ist von aufgeworfenem Kussrot und ihre Taille schaut auch aus wie eine von Walt-Disney. Wahrscheinlich ist Mercedes sowieso nur eine Erfindung. Samt ihrem komischen Coupe und die Jakobsleiter ist in Wirklichkeit ein aufgesprungener Springbohnenspross.

(Thema: Was einem so einfallen kann)

Mittwoch, 8. Februar 2006

Lesung

Ein großer Raum, eine Halle, aber gut geheizt, jede Menge kleiner Tische, pro Tisch ein Sessel und auf jedem Tisch ein Computer. Die Kabel schön ordentlich gebündelt und in Kabelschächten geführt. Keine Staubflusen auf dem grau-weiß melierten Linoleumboden, ob die Fenster geputzt sind oder nicht, können wir nicht sagen: es ist schon dunkel. Herinnen leuchten noch die Neonröhren, aber wenn die Lesung beginnt, werden sie aus- und die Kinoleuchten eingeschaltet. In Kopfhöhe sind sie alle zwei Meter auf den Längsseiten der Halle angebracht. Früher gab’s auf jedem Tisch ein Tischlämpchen wie in der Nationalbibliothek, aber weil die Leser diese Lämpchen für ein Souvenir oder ein Give-Away gehalten haben, musste auf die festgeschraubten Kinoleuchten ausgewichen werden. Schön langsam füllt sich die Halle, bald sitzt auf jedem Sessel ein Leser, neben den Sesseln liegen Handtaschen, Plastiksackerl, Rucksäcke, Aktentaschen. Der Geruch von Bodenwachs lässt nach. Sowie das Kinolicht leuchtet, werden die Computer hochgefahren, ein kurzes Aufrauschen, dann das Klicken: Die Lesung hat begonnnen.

(Thema: Zeitmaschine)

Dienstag, 7. Februar 2006

Scheitern

… ein Gescheiterter ist er also, der Text, und gesenkten Hauptes trottet er von hinnen – nein, jetzt hat er kein Haupt mehr, er hat jetzt einen hundsordinären Kopf, den er auf seine rachitische Brust hinunter drückt, aber vermutlich kann er nicht einmal mehr trotten. Ist er nämlich wirklich voll und ganz gescheitert, dann hat’s ihn ja (beim Scheitern, beim Auflaufen, beim Auf- oder Zusammenprall) ganz ordentlich zu Boden gerissen und da wird dann schon Einiges zumindest angeknackst worden sein. Zum Beispiel sein Wadenbein, wahrscheinlich aber auch noch das Jochbein oder die Elle. Der Gescheiterte humpelt also wegen der Schmerzen ziemlich verspannt von hinnen nach Nirgendwo und der Leser ruft ihm hinterher: „Schau dass’s weida kummst, du Hatschata!“ Der Leser ist nämlich sauer, weil schließlich auch er Schaden genommen hat:
Der Text ist ihm nämlich nicht und nicht zur Wohnungstür gekommen, obwohl der Leser so ein schönes Willkommenskränzchen zwischen Spion und Briefschlitz gehängt hat, und da ist er sich dann schön langsam halt blöd vorgekommen („Wie bestellt und nicht abgeholt!“) und so ist er dem Text dann entgegen gelaufen und dabei hat er ihm doch unübersehbar zugewinkt, erst mit der Hand, dann sogar noch mit seinem feuerroten Lesezeichen. „Huhu! Da bin ich!!!“, hat er gerufen, aber der Text hat den wachelnden und rufenden Leser einfach nicht bemerkt, ein Umstand, den der Leser nun seinerseits nicht bemerkt hat, und so hat er nicht rechtzeitig abbremsen können: „Rumms“, sind sie zusammengestoßen. „Wie ham’as denn? Bist blind oder derrisch oder wos?“, hat der Leser den Text angeschnauzt, als er sich wieder erfangen gehabt hat. Der Text hat geschwiegen, was den Leser noch mehr aufgebracht hat. Es kann leicht sein, dass er ihm heimlich einen Fußtritt verpasst hat, das würde zumindest erklären, warum der Text trotz seiner Blessuren gar so schnell wieder auf den Beinen war und auch sofort gewusst hat, welche Richtung er jetzt einschlagen muss.
Der Leser hat eine kleine Beule auf der Stirn, die ihn jedoch weniger stört als der Umstand, dass ihm das Lesezeichen verdrückt worden ist. Er wird es schön glatt bügeln und dann nie wieder aus der Aktentasche hervorholen, beschließt er, schon gar nicht, um so einer schwindligen Hendlbrust Heim zu winken. „Zu Hause, das bin ich!“, ruft er dem bereits in der Ferne verschwindenden Text trotzdem noch ins Kreuz hinein, aber der zuckt nicht einmal mit einem Eselsohr.

(Thema: Was einem so einfallen kann)

Montag, 6. Februar 2006

Ratschläge

Stell dich unter die Dusche und vergiss nicht auf den Dreck zwischen den Zehen. Zieh dir eine frische Unterhose und neue, noch elastische Socken an. Bastle dir eine Dornenkrone aus Papiermaschee mit einem Gummiringerl zum Fixieren und deponiere sie an einem unauffälligen Ort gemeinsam mit einer Packung Fleischspieße und einer Flasche Essig. Öffne sie noch nicht, der Geruch könnte dich verraten. Steck dir zuguterletzt ein Kreuz zwischen die Zähne, häng dir Knoblauch zwischen die Beine, leg dir einen kühlen Waschlappen auf deine glühende Wange. Halt ihr dann auch noch die andere hin.

(Thema: Heilig, heilig, heilig!)

Sonntag, 5. Februar 2006

Wenn ich Ihnen vorstellen dürfte

Stellen wir uns eine vor, die ihre Wohnung zum Freiheitsgebiet erklärt hat. Stellen wir uns außerdem vor, dass die, die wir uns vorstellen, neben der Eingangstür zu ihrer Wohnung eine Fahne aufgestellt hat, damit auch ganz klar ist: Achtung, hier ist ein Freiheitsgebiet! Stellen wir uns vor, dass die, die wir uns vorstellen, aber bemerken muss, dass die Fahne wie eine zu nachlässig gegossene Topfpflanze kraftlos nach unten hängt und so gar nicht nach Freiheit aussieht. Die, die wir uns vorstellen, stört es extrem („Das stört mich ganz extrem!“), dass kein Wind geht. Ganz besonders fehlt der, die wir uns vorstellen, das schnalzende Geräusch des Fahnenstoffes im Wind. Stellen wir uns vor, dass die, die wir uns vorstellen, in ihr Handy hineinsagt: „Auf so eine trostlose Akustik kann ich verzichten!“, und stellen wir uns vor, dass sie (auf den Absätzen, umgehend, mit viel Schwung) kehrt macht. Hinein ins Freiheitsgebiet, wo sie dann stundenlang ins Handy hineinredet. Wir hören die, die wir uns vorstellen, aber nur murmeln, Genaueres hören wir nicht, weil die, die wir uns vorstellen, ihre Wohnungstür zugemacht hat. Wir stellen uns vor, dass sie über die Freiheit redet.

(Thema: Was einem so einfallen kann)

Samstag, 4. Februar 2006

Sichtung

Wieder mal eine vom Stamme Nimm gesichtet, eine die weiß, wo der Wurschtkessel hängt und wo der Bartl den Most holt. Aber herumirren tut sie wie eine, die am Verhungern und Verdursten ist. Große Enttäuschung allenthalben. „De soi scheißen geh’n“, rät ein Wiener Taxifahrer und weil er was auf Fremdwörter gibt, sagt er noch: „Egozentrischer Scheißhaufen egozentrischer.“ Und ja, wir reden über sensible Seelen, und nein, die haben keine Verdauungsprobleme, weil die keine Verdauung haben, bei denen wird nämlich umgehend alles in Poesie umgewandelt. Rückstandsfrei. Wer schwebt, scheißt nicht. So einfach ist das.

(Thema: Kunst)

Aus einem Mailwechsel

… weil meine texte einerseits nicht blutleer-vergeistigt sind, aber andererseits auch nicht das haben, das man neuerdings ganz ungeniert als "voll des prallen lebens" oder „aus dem prallen leben gegriffen“ oder als „lesbare texte“ bezeichnet. die texte sind einerseits sehr artifiziell, aber andererseits genauso bodenständig. das ist schwer einzuordnen.

(Thema: Tagebuch)

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