Sommer in Genscheid

In Genscheid treiben glänzende Papierfetzen über die Straße, aufgerissene Hüllen vom Eis aus dem Supermarkt (FAMILIENPACKUNGEN), dazwischen Eisstäbchen, die sich in den Frostbrüchen des letzten Winters verfangen und zu bizarren Gebilden auftürmen, in denen wiederum das Glanzpapier hängen bleibt. „Vermutlich nicht recht tragfähig, diese Konstruktion“, sagt der Architekt, der aus der kleinen Stadt (eigentlich ein MARKT, aber das sagt seit der ERHEBUNG keiner mehr) einen BESUCHERMAGNET machen soll. „Damit die Zahlen stimmen“, sagt der Bürgermeister, der ein ZAHLENMENSCH ist und am liebsten jedes Eisstäbchen zählen würde, hätte er nur die Zeit dazu. Im Supermarkt SCHLANGEN von Genscheidern, an den Hintertüren die Tiefkühltransporter mit dem NACHSCHUB. „Wenngleich“, fährt der Architekt fort, „es eine Sache der Nachhaltigkeit ist.“ Das „Nachhaltigkeit“ betont er und der Bürgermeister nickt mehrmals, bevor er das Wort wiederholt. Weil der Bürgermeister ein WIRBELSÄULENPROBLEM IM SCHULTERBEREICH hat, verursacht jede Kopfbewegung ein lautes Knacken, sodass ein zufällig herumstehender blinder und Eis leckender Genscheider glaubt, dass da gerade ein Eisstäbchen zerbrochen wird. Entsetzt wirft er sein Eis in den Straßengraben und sein Rufen („Der Architekt, der Hund, knickt uns die Eisstäbchen ab!“) übertönt das Klacken des Blindenstabes, mit dem er sich nach Genscheid hineintastet. Der Architekt ist ein Agent des Supermarktes, aber das weiß keiner und der Bürgermeister, der es ahnt, behält seine Ahnung für sich. Er will keinen WIRBEL in Genscheid haben, sondern SCHWARZE ZAHLEN, deshalb lässt er den Architekten einfach stehen und läuft dem Blinden hinterher. Er wird ihm jede Menge CHIROPRAKTISCHES ZEUGS mitten ins Gesicht erzählen, um ihn zum Schweigen zu bringen, und der Architekt wird in der Zwischenzeit die glänzenden Papierfetzen aus den Eisstäbchenplastiken herauszupfen, damit der Statiker, den er JEDEN MOMENT erwartet, freie Sicht hat.

(Thema: Naturalie)
Rupprecht - 13. Mai, 17:09

Papierfetzen

überall, auch im schönen Österreich? Doch nur, weil uraltes Brauchtum die Menschen veranlasst, die Ankunft des Frühlings durch hektischen Verzehr von Steckerleis zu beschleunigen. Sonst dächte ich an den allgegenwärtigen "weissen Müll" im windigen Nordchina, die Zellophantüten in den Bäumen, die Styroporschalen neben den Bahngeleisen, wie Schneereste... Wohlstandsmarker, die immerhin in die armen Bergdörfer noch nicht vorgedrungen sind.
R.

ahg - 13. Mai, 19:04

schön,

dich hier als mitleser zu haben!
dank und liebe grüße
andrea (e-mail-los!)

Trackback URL:
https://ahg.twoday.net/stories/1941697/modTrackback

Archiv

Mai 2006
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
12
15
17
18
20
21
22
24
26
27
28
29
31
 
 
 
 
 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Off topic: Archivierungswunsch,...
Zweiter und - versprochen - letzter Versuch: Das Deutsche...
Jochen Walter - 26. Feb, 12:55
Link?
Andrea, und wie finde ich dich auf Facebook? Schreib...
baerliner - 30. Dez, 15:58
Facebook
Nun ists geschafft! Infos, Fotos, Neuigkeiten und...
ahg - 30. Dez, 09:02
moinmoin, ihr!
... eh klar - ich hab schon wieder einen kuddlmuddl...
ahg - 25. Dez, 10:14
Andrea
ich bin seit einiger Zeit bei facebook registriert,...
baerliner - 25. Dez, 09:56

Suche

 

Status

Online seit 7064 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 26. Feb, 12:55

Credits