Donnerstag, 25. Mai 2006

Kündigung eines Hausmeisters

Der Tabernakelschrein ist die meiste Zeit leer, sagt der Hausmeister. Nur für die Messen werde die Schale mit dem Allerheiligsten aus dem Safe geholt, der Pfarrer gebe das sogar zu. Deshalb habe er dem Pfarrer (Gott sei bei ihm!) gekündigt, weil verarschen lasse er sich nicht. Er sei kein Sonntagsmann, er sei ein echter Hausmeister (Von Montag bis Montag, wenn Sie wissen, was ich meine!) und schließlich gebe es keine sechs Kilometer weiter schon andere Häuser (Realitäten!), an denen auch was dran sei und für die er gern und aus vollem Herzen arbeiten würde. Ich solle mir das vorstellen (Stell’nS sich das einmal vor!): Da sei doch tatsächlich die ganze Woche über nichts drin in diesem Tabernakelschrein außer einer Handvoll Sätze, die früher einmal in den Samtbezug des Tabernakelkissens gesprochen worden sind (wahrscheinlich vom Pfarrer, als er noch gewusst hat, worum es geht!), die es aber bis zur Unverständlichkeit in die Flusen (den sogenannten Pfarrerabrieb) eingesponnen hat, weil die Putzfrau nicht in den Schrein greifen habe dürfen, nicht einmal mit einem von diesen ganz sanften Tischstaubsaugern habe sie da hineindürfen. Das habe nur der Mesner dürfen, aber der habe nicht das richtige Gespür gehabt (G’schpüa, sagt er, als ob er jemanden nachäfft, vielleicht die Putzfrau?) und so sei der Schrein mit der Zeit halt ganz verflust. Er, der Hausmeister, habe bald nach seiner Einstellung einen Nachschlüssel für den Tabernakelschrein bekommen, weil ein Hausmeister sowieso eine Vertrauensperson sein müsse, das habe der Pfarrer gesagt, und dass er dem Mesner schon länger nicht mehr über den Weg traue. Der sei nicht mehr ganz richtig im Kopf, herum erzählt habe er, dass im Tabernakelschrein nur Kopien (Aus Plastik! Das auch noch!) stünden und dass die ganze Wandlung ein Schas sei, wenn schon die Schale mit dem Allerheiligsten gefälscht sei. Und als er, der Hausmeister, für jedes Schloss in der Kirche den passenden Schlüssel bekommen habe, sei natürlich auch der Tabernakelschreinschlüssel dabei gewesen. Gleich nach der Messe habe er alle Schlüssel ausprobiert und als tatsächlich ein jeder gepasst hat, sei er richtig froh gewesen, weil es nämlich das Schönste am Hausmeisterberuf sei, wenn alles passt. Er zieht einen gewaltigen Schlüsselbund hervor, ich bin beeindruckt, er: Hab ich mir gleich gedacht, dassS da schaun wern! Wegen der Prophezeiung schaue ich noch ein bisschen länger beeindruckt, der Hausmeister redet weiter: Der Mesner hat auch ziemlich deppert geschaut, als er den Tabernakelschrein auf einmal nicht mehr aufgekriegt hat, weil der Herr Pfarrer und ich nämlich bald einmal das Schloss austauschen lassen haben. Aber eines Tages habe er den Tabernakelschrein unter der Woche aufgesperrt (WissenS eh, die Schlüsselprobe!) und da habe er es dann gesehen, dass der Schrein leer war. Er steckt den Schlüsselbund wieder ein: Den behalt’ ich mir aber, weil wenn der Pfarrer in die ewigen Jagdgründe eingeht (er lacht, als er das sagt), bin ich gleich voll ausgerüstet wieder zur Stelle.


(Thema: Portrait)

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