Bei Tisch

Dein florales Muster im Anschlag, dein Küchenkrepp und deine Dekoration aus Naturmaterialien:

Hier ist der Ort, sagst du, und ich sage: Hier ist kein Ort.

Du erzählst von erschossenen Herzen und Kindern, von hinten am Hals gepackt und durch die Wohnung geschleift, ich sage: Das ist alles nicht wahr. Du sagst: Du hast ja keine Ahnung, ich lächle, als ob ich keine Gewissheit hätte.

Hier ist kein Ort, sage ich, hier sind keine Herzen und keine Kinder und erschossen wird nicht ein einziges Herz, wenn es keinen Ort gibt.

Du sagst: Leck mich am Arsch, ich sage: So reden nur Strandläufer, die bis zum Hals in Scheiße stecken. Mein Lächeln ist wissend, aber du siehst es nicht.

Grins nicht so blöd, sagst du, ich sage: wenn es keinen Ort gibt, gibt es nichts zu sehen. Kein Ort, kein Grinsen. Das ist Physik. Sage ich und klopfe auf den Tisch.

Du erzählst von Tischläufern, du sagst: Ich höre, wie du auf den Tisch klopfst, glaubst du, mich schreckt das? Du erzählst von Tischläufern mit Holzbeinen und dem nervenden Geklopfe ihrer Holzbeine auf der Tischplatte. Du sprichst von der Notwendigkeit textiler Irgendwasse. Das Klopfen ist zu laut, ich hacke die Holzbeine ab.

Jetzt ist Ruhe im Karton, sage ich. Karton ist nicht, sagst du.

Schuhe, Schuhe wie von Puppen, sagst du, ich sage Schuhe und wenn ich Schuhe ohne was sage, meine ich auch Schuhe ohne was, Schuhe liegen am Tisch, verstreut. Du nimmst einen Bratenspieß – erinnerst du dich noch? – und stocherst in einem herum, hebst ihn hoch.

Wer weiß, wer da einmal dringesteckt ist, sage ich, du nickst und hältst dir den aufgespießten Schuh an die Nase. Der ist neu, sagst du. Ich sage: Der ist nicht neu, den gibt es gar nicht. Eine Handbewegung und der Schuh fällt auf den Tischläufer, ein dumpfes Geräusch, als ob jemand umgefallen wäre, du zielst auf mich. Ich sage: Den Bratenspieß gibt es nicht, denn hier ist kein Ort.

Du steckst Moos und Rinde und verfärbte Blätter auf den Spieß.

Friss das, sagst du, weil du mein Herzblatt bist, ich sage: Wo sind die Blumen und wo ist die Rotweinkaraffe, und du sagst: Von hinten erwürgt, von vorne ersäuft. Ich sage: Hier ist kein Ort.
Tasso - 24. Dez, 13:21

Zum Jahresende

Liebe Andrea Heinisch-Glück,
als "stiller Leser" Deiner Seiten besten Dank, dass man Deine Beiträge lesen durfte. Sie haben mich sowohl gedanklich beschäftigt als auch meine Arbeit sehr inspiriert. Ich wünsche eine fröhliches Weihnachtsfest und alles erdenklich Gute für das Neue Jahr. Vor allem viele neue Einfälle und Texte "der besonderen Art"!

LG
Tasso J.M.

re_quiem - 26. Dez, 13:13

zauberfeine geschichte

wie stets
in allerhöchstem maß
lesens-
und
bedenkenswert.
kompliment!
werner
http://mathematikos.uboot.com

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