Der springende Punkt

Vor den Fenstern des magistratischen Bezirksamts – du hast es schon von Weitem erkannt – hängen Blumenkisten mit roten Pelargonien, du stehst vor dem Eingang und denkst: „Ja, das ist der springende Punkt.“ Du korrigierst dich: „Das sind die springenden Punkte“, du möchtest die Fenster zählen oder gleich die Blütenköpfe, damit dir kein Punkt abhanden kommt, aber wie soll das gehen bei dem Gespringe, so gehst du ins magistratische Bezirksamt hinein, schließlich bist du deshalb in die Karmelitergasse gekommen. Weil du eine Wahlkarte haben willst und keine springenden Punkte. Durch die hohe, kühle Eingangshalle gehst du, dann nach links und ums Eck, mit dem Lift in den dritten Stock (Wahlkarten im Zimmer 311), keine Blumenkisten, keine Blütenköpfe, keine springenden Punkte. Nur Bezirksdamen und Bezirksherren hinter Computern. Den Lift abwärts teilst du mit einer Frau, du nickst: „Ja, das sind wichtige Wahlen!“ Du nickst weniger energisch, als sie sagt: „Uns bleibt ja gar nichts mehr!“, weil du nicht weißt, wer das „Wir“ hinter dem „Uns“ ist. Auch das: ein springender Punkt und du schweigst, damit er dir nicht in den Mund springt. Als du das Amt verlässt, drehst du dich nicht mehr nach den Pelargonien um, du weißt sowieso, dass sie reglos über die Ränder ihrer Blumenkisten hängen.

(Thema: Wien)
Nashaupt - 30. Sep, 20:15

Das 'Wir' hinter dem 'Uns' meint den Verlust des individuellen Selbst

'Wir' sagen die ängstlich gehorsam Vertrauens- und Hoffnungsvollen, die gelernt haben, dass die Demokratie die beste aller Staatsformen sei und dass ihre Kraft im 'Wir' liege, das sich mal so mal anders in eine Mehrheit und eine Minderheit teile - vorausgesetzt dass Alles mit rechten Dingen zugehe (kein Wahl- und Abstimmungsbetrug und so .. wie in diesen Schwellenländern).
'Wir' meint die, die irgendwie zu ahnen beginnen, dass zwar Alles mit rechten Dingen zugeht, dass aber nicht die rechten Fragen zur Abstimmung vorgelegt werden und Niemand weiss bzw. wissen will, wie die Politik dazu gebracht werden könnte, denen, die noch an das 'Wir' und 'Uns' glauben, weil sie das in der Schule einmal so gelernt haben, die Fragen zu stellen, die die Übergangenen, die von sich sagen 'Uns bleibt ja gar nichts mehr' wirklich bewegen. 'Wir' meint die sprachlose Menge derer, deren Probleme der Politik peinlich und lästig geworden sind, weil sie daran erinnern, dass grosse Visionen nur in unspektakulären Schritten zur Bewältigung kleinlicher, langweiliger und glanzloser Einzelheiten zu bewältigen wären, mit denen keine Karrierestufen zu erklimmen und kein Staat i.S. des Gloriosen zu machen ist.
Politiker brauchen Visionen, um damit zu brillieren, nicht, um sie zu realisieren. Das ist in allen politischen Systemen so. Diese sind in dieser Hinsicht alle gleich schlecht, gleichgültig, welche Staatsform ihnen zu Grunde gelegt oder aufgepfropft ist.

ahg - 1. Okt, 09:38

"Politiker brauchen Visionen, um damit zu brillieren, nicht, um sie zu realisieren"

Die einzige Vision, die die ö.Politiker derzeit haben, ist die, soviel Stimmen wie möglich zu kriegen. Und diese Vision wollen sie auch realisieren. Ich fürchte, das ist alles, was es an Visionärem in der Politik gibt.

Ich geh' dann mal wählen!

Andrea

Trackback URL:
https://ahg.twoday.net/stories/2731718/modTrackback

Archiv

September 2006
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
14
15
16
17
18
20
21
22
23
24
25
26
27
29
30
 
 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Off topic: Archivierungswunsch,...
Zweiter und - versprochen - letzter Versuch: Das Deutsche...
Jochen Walter - 26. Feb, 12:55
Link?
Andrea, und wie finde ich dich auf Facebook? Schreib...
baerliner - 30. Dez, 15:58
Facebook
Nun ists geschafft! Infos, Fotos, Neuigkeiten und...
ahg - 30. Dez, 09:02
moinmoin, ihr!
... eh klar - ich hab schon wieder einen kuddlmuddl...
ahg - 25. Dez, 10:14
Andrea
ich bin seit einiger Zeit bei facebook registriert,...
baerliner - 25. Dez, 09:56

Suche

 

Status

Online seit 7063 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 26. Feb, 12:55

Credits