Der springende Punkt
Vor den Fenstern des magistratischen Bezirksamts – du hast es schon von Weitem erkannt – hängen Blumenkisten mit roten Pelargonien, du stehst vor dem Eingang und denkst: „Ja, das ist der springende Punkt.“ Du korrigierst dich: „Das sind die springenden Punkte“, du möchtest die Fenster zählen oder gleich die Blütenköpfe, damit dir kein Punkt abhanden kommt, aber wie soll das gehen bei dem Gespringe, so gehst du ins magistratische Bezirksamt hinein, schließlich bist du deshalb in die Karmelitergasse gekommen. Weil du eine Wahlkarte haben willst und keine springenden Punkte. Durch die hohe, kühle Eingangshalle gehst du, dann nach links und ums Eck, mit dem Lift in den dritten Stock (Wahlkarten im Zimmer 311), keine Blumenkisten, keine Blütenköpfe, keine springenden Punkte. Nur Bezirksdamen und Bezirksherren hinter Computern. Den Lift abwärts teilst du mit einer Frau, du nickst: „Ja, das sind wichtige Wahlen!“ Du nickst weniger energisch, als sie sagt: „Uns bleibt ja gar nichts mehr!“, weil du nicht weißt, wer das „Wir“ hinter dem „Uns“ ist. Auch das: ein springender Punkt und du schweigst, damit er dir nicht in den Mund springt. Als du das Amt verlässt, drehst du dich nicht mehr nach den Pelargonien um, du weißt sowieso, dass sie reglos über die Ränder ihrer Blumenkisten hängen.
(Thema: Wien)
(Thema: Wien)
ahg - 28. Sep, 06:51